Donnerstag, 09. November 2006

Flexibles Videosignalverteilungssystem

Ein Videosignalverteilungssystem hilft dem Bodenpersonal im Europäischen Satellitenkontrollzentrums in Darmstadt bei der Steuerung und Kontrolle von Satelliten für unterschiedlichste Weltraumeinsätze.

Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt

Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt

Für Schlagzeilen sorgte jüngst insbesondere die Smart 1-Mission, Europas erste Mondsonde. Dabei ist dies nur einer von über 50 Satelliten, die bislang von ESOC, dem Europäischen Satellitenkontrollzentrum der ESA (Europäische Weltraumorganisation) in Darmstadt, operationell betreut wurden. Die Satelliten und Raumsonden liefern nicht nur faszinierende Bilder von weit entfernten Planeten und Sternen, sondern ermöglichen über die eingeholten Daten auch neue wissenschaftlichen Erkenntnisse für unterschiedliche Fachdisziplinen und Fragestellungen.

Das Satellitenkontrollzentrum überwacht und steuert diese Flugkörper, die im Weltraum bestimmte Aufgaben wie z.B. Erdbeobachtung, Mikrogravitationsforschung, Erkundung des Sonnensystems oder Astronomieforschung aus dem Weltraum erfüllen. Zu dem Zweck unterhält und betreibt ESOC ein weltumspannendes Netzwerk der am Boden benötigten Infrastruktur, über die Satelliten überwacht und gesteuert, im Orbit navigiert und die von ihnen gesammelten Daten verarbeitet und weitergeleitet werden. Direkt nach seiner Trennung von der Trägerrakete im Anschluss an den Start beginnt die Überwachung und Steuerung eines Satelliten durch ESOC. Die Bordsysteme werden eingeschaltet, seine Nutzlast wird aktiviert und kontrolliert, und zudem wird permanent sein Betriebszustand geprüft.

Die Steuerung erfolgt im enger Zusammenarbeit der sieben weltweit verteilten ESA-Bodenstationen und Kontrollzentren, darunter die in Darmstadt befindliche Schaltzentrale des weltweiten Bodenstationsnetzes ESTRACK, zudem im Zusammenspiel von Einrichtungen zur Verarbeitung von Nutzlastdaten, Satellitenkontrollsystemen sowie Simulations- und Kommunikationssystemen. Mit deren Funktionstüchtigkeit und Leistungsvermögen steht und fällt naturgemäß der Erfolg einer Mission.

Eine wichtige Befähigungstechnologie für die Benutzer in den Kontrollräumen auf dem Darmstädter Gelände ist so auch ein leistungsfähiges Videosignalverteilungssystem, das Hardware der Hersteller Extron und Crestron umfasst und von dem auf AV-Medientechnik spezialisierten Frankfurter Unternehmen VITEC GmbH geliefert und benutzerspezifisch angepasst wurde.

Das Anfang 2005 eingeführte System basiert auf einer 64 x 64 Kreuzschienenmatrix und ermöglicht den Missionskontrollteams, Projektteams und anderen Spezialisten in den diversen Kontrollräumen den raschen und komfortablen Zugriff auf Bildschirminhalte anderer Rechner, die sich räumlich entfernt irgendwo auf dem Gelände der ESOC befinden. „Eigentlich handelt es sich hier um eine Funktionalität, die sonst Fernsteuerungssoftware wie pcAnywhere oder VCN bietet“, erklärt Karsten Weber, Senior Engineer für Maintenance im Operation Control Center beim ESOC.

Echtzeit-Steuerungskontrolle
Eine derartige Lösung schied allerdings aus. Das Ansteuern der Satelliten und Sonden setzt nämlich ein Arbeiten in Echtzeit voraus, das laut Weber bei Verwendung einer Software-basierten Lösung wegen der dadurch beanspruchten Rechnerkapazität nicht garantiert ist. Eine software-basierte Lösung kam ferner nicht in Frage, weil hier das Risiko bestand, dass sie eventuell Einfluss nimmt sowohl auf die Rechner als auch auf speziell geschriebene Kontrollsoftware. Auch können beim Einsatz einer Softwarelösung nur wenige Benutzer gleichzeitig denselben Bildschirm betrachten. Dies allein schon wegen der dann großen zusätzlichen Datenmengen.

Derartige Einschränkungen gibt es bei der jetzt verwendeten autarken analogen Videomatrix nicht. Maximal 64 Benutzer können zeitgleich auf ein und dieselbe oder auf 64 ganz individuelle Signalquellen in Echtzeit zugreifen.

Technisch wurde das so verschaltet, dass ein Signal eben nicht auf Software-, sondern auf Hardwareebene, in der Grafikkarte, abgegriffen wird. Von dort geht es an den Videoverteiler, von dem es auf zwei Ausgänge gelegt wird - einer davon für den lokalen Monitor, damit der Benutzer ganz normal weiterarbeiten kann. Vom zweiten Ausgang wandert das Signal per Koax-oder Glasfaserkabel zur Extron-Videomatrix, wo es fest mit einem Eingang verknüpft wird. Vom Ausgang der Matrix führen Koax- oder Glasfaserkabel zu einem Benutzer, der sich räumlich entfernte Bildschirminhalte anderer Rechner anschauen will. Der wählt im Bedienfeld aus, welchen Eingang (1- 64), für ihn beispielsweise als Computername 150 oder 160 dargestellt, er sehen möchte. Nach Betätigen des entsprechenden Knopfes wird das Signal an den Crestron-Controller übergeben, der die Bildschirmanforderung entsprechend in der Matrix umschaltet, und der Benutzer bekommt sein Signal sprich die Bildschirmdarstellung des gewünschten Computers.

Bildschirminhalt auf Knopfdruck
Für den Betrieb der Satelliten ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass sich Bildschirminhalte räumlich entfernter Rechner jederzeit auf Knopfdruck einsehen lassen. Sowohl beim Start als auch bei der späteren Steuerung und Navigation müssen sich die Fachteams an den Kontrollbildschirmen blitzschnell je nach Bedarf Bildschirminhalte anderer Rechner oder Programme einblenden können, deren Informationen sie für ihre Arbeit benötigen und die unter Umständen für den Erfolg oder Misserfolg einer Mission ausschlaggebend sind. So werden die mit Sun-Systemen ausgestatteten Arbeitsplätze in den Kontrollräumen in der Regel um drei Bildschirme ergänzt: Auf zweien laufen die Anwendungen des jeweiligen Benutzers, während der dritte für das Videosystem bzw. eine eigene Anwendung reserviert ist.

Für Karsten Weber ist das heute im Einsatz befindliche Videosignalverteilungssystem die ideale Lösung. Mussten die Kontrollteams früher erst in Listen blättern und dreistellige Zahlencodes eintippen, um sich Bildschirme anderer Benutzer anzeigen zu lassen, so geschieht das heute selbsterklärend durch einfaches Anwählen von Raum und Rechnerposition per miniaturisiertem Touchpanel auf der Bedienkonsole. Da sich die Rechnerpositionen über die frei-programmierbare Oberfläche bei Änderungen, Streichungen oder Erweiterungen zentral verändern lassen, entfällt auch die vormals aufwändige Neuerstellung und –verteilung der ausgedruckten Listen mit den aktualisierten Rechnerpositionen.

Obwohl die Kombination aus Miniatur-Touchpanels und Videomatrix exakt den Bedürfnissen der ESOC-Verantwortlichen entsprach, hat der Audio- und Videospezialist VITEC noch etliche Funktionen nachprogrammiert, um alle Detailwünsche der Benutzer und des technischen Wartungsteams um Karsten Weber zu berücksichtigen. Hierzu gehörte auch die Anpassung des gewöhnlich als Mediensteuerung genutzten Crestron-Systems an die Belange der bei ESOC erforderlichen Videosignalsteuerung.
Derzeit sind bereits 60 der maximal möglichen 64 Arbeitsplätzen in das Videosignalverteilungssystem eingebunden. Mittlerweile wurde das System zusätzlich um Videosignalsplitter und –switches des Anbieters kHi ergänzt, der zusätzliche Modifikationen speziell für die ESOC-Signale entwickelte, um die aufgrund der vorhandenen Koax-Kabellängen auftretenden Signalverbiegungen auszugleichen und auf der Empfängerseite auch hochauflösende Grafiken sauber darzustellen. Denn scharfe Sicht nützt und schützt die ESA-Satelliten bei ihren Missionen im All.


Facts in Kürze

Anwender: Europäisches Satellitenkontrollzentrum (European Space Operation Centre, ESA/ESOC), Darmstadt; [www.esa.int] (deutsch unter [www.esa.de] )

Nutzung: Videosignalverteilungssystem nebst Touchpanels an den Benutzerarbeitsplätzen für den ferngesteuerten Zugriff auf andere Bildschirminhalte in den Darmstädter Kontrollräumen;
Optimierte Kontroll- und Reaktionsmechanismen beim Start bzw.bei der Steuerung und Navigation von Satelliten.

Systeme: 64 x 64 Kreuzschienenmatrix von Extron Electonics; adaptierte Mediensteuerung von Crestron nebst einem Touchpanel pro Benutzerarbeitsplatz.

Lieferant und Installationspartner: Vitec GmbH, Mainz [www.vitec.de].